Samstag, 23. August 2008

Was der Bauer nicht kennt erschlägt er

Es gibt nicht nur nette Menschen auf der Welt.

Diese revolutionäre Erkenntnis durfte ich neuerdings zu meinem unerschöpflichen Fundus
persönlicher Erfahrungen hinzugesellen.

Als ich vor ein oder zwei Tagen auf dem Heimweg vom Flex einen kleinen Schwenk zur Shell-Tankstelle, mit den besten Semmeln, etwa ein oder zwei Strassen weiter, machte wurde ich Zeuge eines unerfreulichen Beziehungsexhibitionisten.
Ein selleriestangendürrer Machohausmeister und seine ihm scheinbar zugelaufene Verbalmüllschluckerin standen vor mir an der Kasse und waren damit beschäftigt soziologisch interessante Erwachsenenspielchen zu praktizieren. Er liess sie stetig und nicht ohne gewissen
Enthusiasmus durch seine Gestik und Aussagen spüren wie wertlos und unfähig sie sei, während sie pflichtbewusst und dankbar den Spielball aufnahm um sich gewohntermassen schlecht und schuldig zu fühlen.
Diese Situation war mir, als ausgewiesenem Experten für eh alles, keine Unbekannte! Dieses süsse Gefühl der totalen Unzulänglichkeit war mir vertraut aus meiner eigenen Kindheit. Jeder der einen emotional erpresserischen Elternteil sein eigen nennen durfte, weiss wovon ich spreche, wenn ich an Genialität kaum zu überbietende Killerphrasen wie "Du kanns ja wohl nichts richtig machen.", als Beispiel für negative Wertschätzung anführe.
Fraglich ist für mich aber warum wir scheinbar dazu neigen uns das Leben selbst im Erwachsenenalter weiter vermiesen zu lassen.
Da wäre die Vertrautheit der Situation, oder die Angst vor der Ungewissheit die ein neues Setting möglicherweise mit sich bringen könnte. Es kostet viel Kraft und vorallem eine Menge Mut sich aus festgefahrenen Strukturen zu lösen.
Da ich,(s.o.) als Experte Bescheid weiss, entschloss ich mich kurzerhand dazu meinerseits mir anerzogene Muster zu durchbrechen und entgegen, im Sinne der Sozialisation, gut gemeinter elterlich-authoritärer Direktiven ("Nur nicht auffallen."), das Schweigen zu durchbrechen und den heldenhaften Frauenbasher zur Rede zu stellen. Viel wusste er mir, wie erwartet (Experte!) , nicht zu entgegnen. Seine Begleiterin dankte mir mit einem verblüfft-verklärten Gesichtsausdruck der einem Lächeln täuschend nahe kam. Dies war dem Tankstellendjango jedoch zuviel und unter wüstem Geschimpfe rief er um Beistand in seiner Not.
Wieder wurden Steuergelder für einen sinnfreien Polizeieinsatz fehlinvestiert. Die Beamten hatten jedoch glücklicherweise Verständnis für seine prekäre Lage und machten von ihrem Wegweisungsrecht gebrauch. Ihm gegenüber, nicht mir, wohlgemerkt. Er lief davon, schrie sich in sicherer Entfernung den Frust aus der Seele und drohte mir physische Gewalt an, was ich aufgrund seiner wenig furchteinflössenden Erscheinung eher als Kompliment denn als Furcht generierendes rhetorisches Element empfand.

Aber auch in anderen Ländern spriessen freundliche Zeitgenossen aus dem Boden wie im Wienerwald die Eierschwammerln. So meldet die spanische Tageszeitung El País, dass alleine
im August bereits betrauernswerte 48 Frauen Opfer männlicher Gewalt und offensichtlicher Dummheit geworden sind. Innerhalb von nur 24 Stunden mussten drei Tote beklagt werden.
Wie lächerlich arm, machtlos und lebensunfähig muss jemand sein der sich selbst seine "Potenz" beweisen muss indem er Schwächere erniedrigt, bis zu ihrer Entpersonalisierung und ihrem Tod.
Wer sich nur dadurch in seinem Leben "mächtig" fühlen kann anderen das Recht auf ihr Leben streitig zu machen ist in Wahrheit ohnmächtig und klein.
Doch wo der Verstand nicht ausreicht übernimmt bald die Gewalt das Ruder.
Und was der Bauer nicht kennt, erschlägt er bekanntlich.

Hier der Link zum Thema in El País (spanisch):
http://www.elpais.com/todo-sobre/tema/Violencia/mujeres/31/

Wie gesagt, es gibt nicht nur nette Menschen auf der Welt.

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